5. Tag, 18.06.
Gipfelsturm und Arktis-Feeling
Von der Gollinghütte zur Preintaler Hütte
Nach dem gestrigen Abenteuer-Pfad geht es heute gleich lustig weiter. Bloß nicht aus der Übung kommen! 😉
Doch zunächst gibt es eine schöne, heiße Dusche zum Wachwerden und ein leckeres Hütten-Frühstück. Derart frisch und gestärkt kann man schon mal die eine oder andere Herausforderung bewältigen. Es wird nötig sein…
Das Wetter ist nach den letzten trüben und nebelreichen Tagen geradezu euphorisch schön: trocken, kein Wind, *etwas* wärmer (irgendwas um die 10 Grad…), allein der Himmel hüllt sich eine einträchtig geschlossene Wolkendecke.
Wäre ja auch blöd, wenn wir nach 3 komplett sonnenlosen Tagen (zumindest immer da, wo wir gerade waren…) auf einmal durch diese gelbe Himmelsmurmel verschreckt werden würden. Allerdings könnte uns diese Sichteinschränkung in der Höhe den Ausblick in den Klafferkessel, das landschaftliche Highlight des heutigen Tages, ordentlich vermasseln, so meint zumindest Wilfried, der Hüttenwirt.
Egal, die Wanderbedingungen passen. So „angenehm“ ist es seit Tagen schon nicht mehr.
Wir beginnen den Tag mal wieder mit einem Aufstieg, diesmal geht es ganz konsequent um gute 1.000 Höhenmeter aufwärts. Holla! Der Weg nach oben zieht sich ganz ordentlich hin, es ist ein ziemlich steiler Weg, der konditionell doch einiges fordert.
Immer wieder der Blick auf den Höhenmesser meiner Uhr, wir haben das Gefühl, die Steigung nimmt niemals ein Ende. Normalerweise gibt es ja irgendwo auch immer eine „Plateauphase“, quasi ein Innehalten der Steigung. Hier nicht. Es geht einfach nur und permanent bergauf.
Obwohl: damit es dabei nicht nur langweilig nach oben geht wartet die eine oder andere technische Überraschung auf uns. Oder eher auf mich, der ich gemeinhin der Normalwege-Fan von uns dreien bin.
Nix gegen stundenlang bergauf, aber eine steile Felswand mit Seilversicherung versetzt mich schon mal in leichte Schnappatmung.
An eine solche Stelle treffen wir auch prompt, und Markus erweist sich als hilfreicher Engel. Er wiederum mag Konditions-Wandern nicht so wie ich, aber er liebt geradezu technisch anspruchsvolle Stückchen. Gut für mich!
Er nimmt mir meinen Rucksack ab, was auf jeden Fall für eine bessere Schwerpunktverteilung und freiere Klettermöglichkeit sorgt.
Auf den weiteren Metern nach oben wartet noch die eine oder andere technisch spannende Stelle auf uns, Thomas und Markus haben aber immer Geduld mit meiner Unsicherheit, was mir tatsächlich ein sicheres und gutes Gefühl gibt.
Na, noch 2 alpine Wandertouren, und ich liebe solche Herausforderungen auch… 😉
Gipfelsturm!
Schließlich tauchen wir in´s wattige, dichte Wolkenmeer ein und die Sicht wird drastisch schlechter. Wird der Wilfried wohl leider Recht behalten.
Unterwegs begegnen uns noch 2 Wanderinnen, die tatsächlich in Laufsport-Klamotten gewandet sind und wieder umkehren, da sie den Weg zur Preintaler Hütte für nicht zu bewältigen halten. Bei DER Ausstattung mag das zutreffen.
Wir fühlen uns dagegen gut gerüstet. Auch wenn uns die beiden berichten, dass es oben schneit. Was solls, macht auch jetzt auch nix mehr. Ordentliche Wanderkleidung und insbesondere gute Schuhe sind eben durch nichts zu ersetzen, zumindest unter den heutigen Bedingungen! Weiter gehts, immer noch nach oben.
Ein älteres Pärchen, welches uns auf knapp 2.500 Metern entgegenkommt, bestätigt uns die grundsätzliche „Machbarkeit“ des Weges. Ja, ist nicht ideal, aber geht bis auf ein-zwei kniffelige Stellen ganz gut.
Meine ärgsten Befürchtungen verflüchtigen sich zwar nicht komplett, aber verkrümeln sich in die hintere Bereiche meines Gehirns. Das hat sowieso eher damit zu tun, sich ordentlich auf den Weg zu konzentrieren.
Da ist kein Platz für irgendwelche „Absturzgedanken“.
Wir erreichen den Gipfel des Greifenbergs in 2.600 Meter und schauen einigermaßen verblüfft auf das komplett vereiste Gipfelkreuz.
Das ist auf jeden Fall ein beeindruckender Anblick – wenn auch ohne Ausblick, denn wir befinden uns mitten IN den Wolken.
Es schneit zwar nicht, wie die beiden Wanderinnen vorhin erzählten, aber dafür zieht es hier ganz mächtig. Und was für ein Wind hier weht! Keine Ahnung, WIE kalt es hier ist, aber für eine ordentlich vereiste Landschaft reicht es zumindest…
Markus nennt ihn zwar „Kaffe-kessel“: – hinab in den Klafferkessel!
Bloß schnell weiter!
Naja, „schnell“ ist nicht, der Weg ist, sofern erkennbar, doch eine ziemlich anspruchsvolle Sache.
Insbesondere an einer weiteren mit Stahlseilen versicherten Stelle, die ganz ordentlich rutschig und tricky wirkt. Und dummerweise auch ist. Zumindest für mich.
Da uns aber nichts hetzt lassen wir uns eben Zeit. Die Bewältigung solcher Stellen gehört hier oben halt einfach mit dazu.
Stück für Stück steigen wir in den Klafferkessel hinab, von 2.600 auf gut 2.300 Meter, und wie der Hüttenwirt schon ganz richtig feststellte, leider völlig aussichts-los.
Dank GPS im Handy können wir uns trotz miserabler bis keiner Sicht gut auf den Schneefeldern orientieren, und tatsächlich stört uns die fehlende Sicht nicht unbedingt.
Im Gegenteil, so vermittelt dieser Seen-Kessel ein ganz eigenes Gefühl, fast kommen wir uns wie auf einem Eisplaneten mit ein paar Felsen-Inseln vor. Um uns herum ist ausschließlich Schnee und dichter Wolken-Nebel, das ganze hat einen fast unwirklichen Charakter.
Noch wesentlich unwirklicher wird es wenn wir uns vor Augen halten, dass heute eigentlich der 18. Juni, ein Tag mitten im Sommer, ist. Ein sehr interessantes Erlebnis!
Wer sich einen Eindruck verschaffen möchte, wie es hier unter „guten“ Bedingungen aussieht kann gern mal diesen Link hier klicken. Mit solchen Bildern kann ich leider nicht aufwarten… 😉
Rechts von uns liegt, größtenteils gefroren, der Obere Klaffersee, dessen aufgetaute Gewässerteile in eindrucksvollem Tiefblau schimmern.
Da über uns kein blauer Himmel ist stammt diese Farbe tatsächlich vom Wasser. Dazu kommt eine unglaublich Klarheit des Sees, das ist unberührte Natur!
Wir genießen diesen phantastischen Anblick, und im Windschatten einer kleinen Felsen-Erhebung pausieren wir kurz zur Stärkung. Der vorangegangene Weg hat uns doch ordentlich hungrig gemacht.
Vom Klafferkessel-Plateau auf gut 2.300 Metern Höhe geht es anschließend zum letzten Mal für heute abwärts. Die Preintaler Hütte schlummert friedlich auf 1.650 Höhenmetern, das ist noch ein bißchen Weg für heute.
Natürlich kein „normaler“ Weg, pffff, wo kämen wir denn da hin?!?
Natürlich ist das, was wir ab hier beschreiten, bestenfalls ein Abenteuer-Pfad.
Wobei „Pfad“ ja schon fast wieder einen Weg bezeichnet. Ist es aber nicht.
Rutschige, weil nasse, Steine, lockerer grober Schotter und vereinzelte Schneefelder fordern die komplette Aufmerksamkeit und Bewegungs-Koordination. Wobei die Schneefelder noch die angenehmste Variante darstellen, da man 1.) nicht so genau auf den Weg achten muss und sich 2.) im Sturzfalle schlimmstenfalls einen nassen Hintern zuzieht.
In Anbetracht der feucht-kalten Witterung auch kein Problem. Markus probiert ein solches Fallmanöver erfolgreich und folgenlos aus. 🙂
Nachdem wir die Stein- und Schnee-Wüste passiert haben stoßen wir auf stark erodierte Wanderwege.
Aber zumindest sind hier mal Wege! Wenn auch durch sehr viel Wasser ausgewaschen und dadurch eher schlammige Pfade, die als Kerbe die Almwiesen zerschneiden.
Da kann man sich noch mal so richtig schön die Stiefel in der Modderpampe einsauen.
Seelige Hüttenzeit…
Kurz vor vier kommen wir in der Hütte an, mal wieder sind wir die einzigen Gäste. Dies ist einerseits erstaunlich, da diese Hütte infrastrukturell sehr gut aus dem Tal zu erreichen ist, andererseits aber auch wieder nicht, bedenkt man die doch eher unangenehme Wettersituation.
Markus genießt einen leckeren Pallat-Schinken, Thomas gönnt sich einen Pofesen und ich vernasche eine leckere Grammelschmalz-Stulle (nicht Gammel-Schmalz! Lest gefälligst aufmerksam! Da steht GRammel-Schmalz!). Anschließend ist entspanntes Chillen bis zum Abendbrot angesagt, welches wir mit Spaghetti Bolognese (Thomas & Markus) und Gulasch verbringen.
Nach dem leckeren und gehaltvollen Abendbrot müssen sich Markus und Thomas zwanghaft mit Mühle-spielen wachhalten, um nicht bereits um halb acht in die Falle zu gehen.
Frühestens neun ist die Deadline für entspanntes Schlafen bis sieben Uhr früh, weshalb die meistgestellte Frage des heutigen Abends „Ist es schon neun?“ lautet.
Meine Beschäftigung neben lesen ist die Organisation einer Zahnbürste, da ich meine in der letzten Hütte vergessen habe. Solche Dinge passieren gern mal während einer Wanderung mit immer neuen Übernachtungsstellen.
Der freundliche Hüttenwirt Wolfgang treibt tatsächlich eine für mich auf. Einziger Haken an der Sache: sie diente zur (bisher) einmaligen Reinigung der Schankanlage. Nach einem 3-Stunden-Bad in heißem Wasser ist sie tatsächlich wie neu und reinigt nun meine Zähne. Was für eine Schankanlage gut ist kann ja nicht schlecht für die Zähne sein!
Solchermaßen gesäubert darf die Nacht gern kommen…
Erkenntnis des Tages: Immer wenn es bergauf geht, geht es auch wieder bergab. Aber danach, da geht´s dann auf jeden Fall wieder bergauf!
Top des Tages: phantastische Naturschauspiele und Impressionen!
Flop des Tages: akuter Sichtweitenmangel am Gipfel und im Klafferkessel
zurückgelegte Strecke: 8,9 Kilometer / 1.050 Meter aufwärts, 1.023 Meter abwärts