17.06.2013
-Tag 2-
Immer an der Wand lang…
Einbruch ist kein Beinbruch
Ungefähr 7 Uhr stehen wir auf. Gefühlte Zeit: 4 Uhr dreissig. Duschen ist hier nicht, dafür kann man sich mit flüssigem Eis aus dem Wasserhahn des hauseigenen Waschraumes den Körper reinigen, vorausgesetzt man ist ein eiskalter Hund. Ich bin´s, und bewaffnet mit einem Waschlappen absolviere ich die schnellste Körperreinigung aller Zeiten unter Aufbietung meiner gesamten mentalen Stärke, sehr zur vollsten Bewunderung durch Thomas (und zu meiner eigenen…). Der Vorteil: anschließend bin ich seeehr munter, wenn auch nicht unbedingt sehr viel sauberer. Das Frühstück ist erstklassig, selbstgebackenes Brot (klar, Hochtransportieren ist ohne Straße eher schwierig…), ein tolles Müsli, Kaffee, Tee, Milch – genau das Richtige, um in den Tag zu starten!
Unser heutiger Tag wird uns zur Schesaplana-Hütte führen. Wir beginnen unseren Weg ohne Weg, da die schier unglaublichen und vor allem unerwarteten Schneemengen eine Wegfindung unmöglich machen. Markus, unser GPS-Wegverantwortlicher, gibt uns grob die Richtung vor, und dann heißt es quer(schnee)feldein! Der unbestreitbare Vorteil von Schneefeldern ist es, dass man sich deutlich weniger Gedanken über den Untergrund macht. Läuft man normalerweise immer brav auf´m Weg, existieren diese Grenzen jetzt nicht. Dennoch ist eine gewisse Vorsicht geboten, denn immer wieder kommt es vor, dass die Schneedecke nicht zuverlässig trägt.
Das erste Mal erwischt es, natürlich, mich. Ich breche durch die bis dahin trittfeste Schneedecke und versinke knietief im darunter befindlichen Schmelzwasser-Fluss. Immerhin hat das ganze einen Vorteil für meine Wanderkollegen: ab sofort achten wir wesentlich mehr auf verräterische Plätschergeräusche unter dem Schnee, diese sind nämlich ein guter Indikator für Hohlräume! Mir nützt das natürlich erstmal nix, kalte, nasse Schuhe und eine matschig-nasse Hose bis zu den Knien. Wer wünscht sich das nicht, sich mal so richtig schön einsauen zu können?
Aufgrund der schwierigen Wegverhältnisse ändern wir zum ersten (aber nicht zum letzten!) Mal unsere geplante Route – wir nehmen den unteren Weg entlang des Felsmassivs von Sulzfluh und Drusenfluh, der Höhenweg würde an zu steilen Schneefeldern entlangführen, ein Abrutschen dort ginge garantiert nicht so glimpflich aus wie am Tag zuvor! Eine Pause an einer (stillgelegten) Mini-Hütte im Schatten selbiger bringt uns zunächst ein wenig Akklimatisierung, nachdem wir uns beinahe alle auf die Schn… gepackt hätten, als wir direkt vor der Hütte ein fieses steiles Schneegebiet mit matschigen Elementen kreuzen mussten. Hoffentlich taut dieser verdammte Schnee in den nächsten Tagen!
Verdammt, wo bleibt die Hütte?
Der weitere Wegverlauf ist landschaftlich traumhaft. Leider erschließt sich uns das immer nur, wenn wir stehenbleiben (was wir dementsprechend öfter tun), da wir während des Laufens unbedingt auf unsere Schritte achten müssen, der Wanderweg ist zwar schön aber auch anspruchsvoll. Dazu brutzelt die Sonne ganz ordentlich von oben, und wer jetzt denkt, dass der Schnee die Luft abkühlt, der irrt! Wir freuen uns über jeden Windzug, der ein bißchen Erfrischung bietet und sind froh, ausreichend zu trinken dabei zu haben.
Aufgrund der akuten Sonnenbrand-Situation haben wir uns alle lang bekleidet, was zwar ein toller UV-Schutz aber gleichzeitig der Schweißbildung natürlich sehr zuträglich ist. Und so zieht sich der Weg dahin, es wird immer wärmer, immerhin liegt kein Schnee mehr auf dem Weg, aber die Hütte kommt und kommt nicht in Sicht. Hügel um Hügel wird über- oder umwandert, – keine Hütte ist zu sehen.
Schließlich sehen wir sie: unser rettendes Tagesziel! Gemeinsam schleppen wir uns die letzten 500 Meter zum Ziel, gemeinsam erreichen wir die Hütte. Verdreckt, verschwitzt, erschöpft und durstig kommen wir um 16:30 an. Ein phantastisches Erdinger Alkfrei später kehren die Lebensgeister zurück, und die beste Nachricht des Tages ist ganz fraglos: diese Hütte hat tatsächlich eine Dusche! Dreieinhalb Minuten warmes Wasser!!! Das reicht locker zum Reinigen.
Mit uns in der Hütte ist ein nettes Schweizer Wanderpärchen, das uns die beste Anekdote des Tages serviert: auf ihrem Weg zur Schesaplana-Hütte (sie kamen von der anderen Seite) trafen sie einen Bergretter, den sie nach den weiteren Wegverhältnissen fragten. Der wiederum wusste, dass wir von der Carschinahütte kamen und verwies die beiden auf uns als die beste Wegreferenz! Wow, jetzt sind wir wohl Profis bei der Beurteilung der Begehbarkeit verschneiter Wege…
Das Abendbrot schmeckt super, ach, was sage ich: EXTREM lecker! Es gibt Röstis mit einer hausgemachten, würzig-scharfen Bratwurst. Ich lange ordentlich zu, der andere Thomas mutiert zum Allesesser, Begründung: ist ja schließlich bezahlt. Recht hat er! Und bei dem Preisniveau in der Schweiz merkt man das auch recht deutlich…
Mir geht es heute deutlich besser als gestern abend, jetzt ist offensichtlich auch meine Seele ganz angekommen. Ich freue mich auf den weiteren Weg und bin schon gespannt, was er so bringen wird. Außer dem Schweizer Pärchen stößt noch ein weiterer Wandersmann zu uns, Josef aus dem Schwabenländle. Er wandert zwar sonst immer mit seiner Frau, aber als Lehrerin hat sie leider kein frei bekommen, und so ist er ganz allein losgezogen. Diese Nacht sind wir also schon zu sechst auf der Hütte….
Erkenntnis des Tages: Duschen ist total unterbewertet!
Top des Tages: Die Hütte im Blickfeld
Flop des Tages: Schnee im Juni. Echt nervend… (Tja, gestern Top, heute Flop)
Zurückgelegte Strecke: 16,3 Kilometer
Bewältigte Höhenmeter (aufwärts/abwärts):
880 Meter / 1.050 Meter