21.06.2013
-Tag 6-
…und am Ende wartet Josef
Ziemlich vernebelte Aussichten
Ein letztes Mal die Sachen gepackt, ein letztes Mal die ekeligen und nasskalten Wanderstiefel geschnürt, ein letztes Mal nicht geduscht. Nach einem genussvollen Frühstück verlassen wir die mit Abstand unangenehmste Hütte (baustellenbedingt) durchaus mit Freude, der Lärm und die etwas ekelige Klo- und Waschsituation haben uns den Aufenthalt nicht gerade versüßt.
Dennoch: die Hüttenwirtin (schon wieder weiblich!) war sehr nett!
Wir wollen mal schauen, ob wir nicht doch noch die Sulzfluh erobern können. Apropos schauen: da ist nix! Die Landschaft hüllt sich in umfangreichen wolkigen Nebel und zum ersten Mal seit 6 Tagen haben wir erhebliche Sichteinschränkung. Die Berge sind verschwunden, leider auch die Sulzfluh. Wir wagen dennoch den Weg ein Stück bergauf, beseelt von der Hoffnung, vielleicht über die Wolken gelangen zu können. Diese Hoffnung geben wir allerdings nach relativ kurzer Zeit auf, die Wolken verhüllen ausgesprochen hartnäckig den Berggipfel. Der Anblick ist dennoch phantastisch: aus dichten Nebelbänken hinter dem Tilisunasee schauen Bergspitzen heraus, was so aussieht, als schwebten riesige Felsbrocken zwischen den Wolken.
Da wir ja auch noch ein bißchen Energie für die heutige Rückwanderung zum Basecamp brauchen machen wir uns wegen des kaum erreichbaren Sulzfluh-Gipfels auf den Weg nach Partnun.
Der von Markus ursprünglich geplante Weg ist aufgrund der Schneesituation (leider?) kaum begehbar, die Alternative führt über zwar schneefreie aber dennoch anspruchsvolle Felsformationen zum Partnuner See und schließlich zum rettenden Basecamp. In unserer Karte ist der Pfad dummerweise gepunktet, was für „hochalpin, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erforderlich“ steht. Na klasse.
Gut, erstmal müssen wir den Weg auch finden, das ist ohne die mögliche Sichtorientierung zunächst schwierig. Moderner GPS-Geräte sei dank, wir entdecken den Pfad. Ein kleines Stück aufwärts, dann heißt´s: gute 300 Höhenmeter runter! Was erstmal entspannt klingt wird zu einer echten sportlichen Herausforderung, zumindest wenn man so wie ich kürzere Beine als die Mitwanderer hat. Akrobatische Kletterpassagen und möglich Trittpunkte werden so ziemlich eingeschränkt. Ich gebe aber gerne zu: trotz Anfangsbedenken wegen des erwarteten „gepunkteten“ Wegzustandes erweist sich die Abwärtskletterei, bei aller zu beachtenden Vorsichtsmaßnahmen und Konzentrationsarbeit, als weitaus — angenehmer als jede Schneefeldquerung am steilen Hang! Ähh, da fällt mir doch gerade auf, dass ich DAS vor 5 Tagen wahrscheinlich noch nicht so gesehen hätte…
Der andere Thomas hat auch sichtlichen Spaß am „Abwärtsklettern mit Verstand“, und für Markus ist´s wahrscheinlich ein Spaziergang. 😉
Auf ein Bier mit Josef
Die Kletterpartie zieht sich eine ganze Strecke hin, aber irgendwann ist auch das geschafft und das letzte Schneefeld der langen, imposanten 6-Tages-Wanderung harrt unser.
Wir genießen die hier unproblematische Bewanderung, nachdem Markus dem Schnee seinen Respekt in Form eines spontanen „Frontal-Schneeengel“ zollte. Den Rest des noch verbleibenden gemütlichen Wanderweges hinunter zum Basecamp zelebrieren wir nahezu. Jetzt, die nahende Oase der körperlichen Entspannung unmittelbar vor uns, nutzen wir die letzten Meter, jeder für sich, in seinem Tempo, mit seinen Gedanken und Gefühlen.
Wir erreichen das Berghaus Sulzfluh glücklich, entspannt, zufrieden und auch ein wenig schwermütig, den mit diesem Kreisschluß endet auch unser einwöchiges Bergabenteuer. Naja, fast zumindest. Denn zunächst freuen wir uns sehr, am Tisch direkt vor unserem Basecamp sitzt –Josef! „Ich habe schon ein Bier Vorsprung!“ begrüßt uns der stille und einsame Wanderer lächelnd, wir setzen uns dazu und trinken erstmal unser Ankommensgetränk. Josef wird noch ein Tal weiterwandern bis zu seinem finalen Ziel, wir entspannen, genießen und nach einem Mittagsmahl beziehen wir unser Zimmer.
Wir sind sehr froh, eine gewisse Geruchsresistenz entwickelt zu haben, denn sowohl der Inhalt unserer Rucksäcke als auch wir selbst dürften nach dieser Woche einen gewissermaßen animalischen Geruchscharakter angenommen haben. Vermutlich wird morgen die Wirtin das Zimmer desinfizieren müssen. Erstmal duschen. Phantastisch! Noch phantastischer: danach nicht wieder in die gleichen Klamotten, sondern die im Basecamp gelassenen „Zivilklamotten“ anziehen. Saubere, trockene Socken, T-Shirt, Jeans, ganz einfache Sportschuhe. Ja, man kann sich problemlos auch über solche kleinen Dinge freuen, wenn man 6 Tage die gleiche mittlerweile siffige, bematschte und mitgenommene Wanderhose anhatte. Von den Wanderschuhen rede ich hier mal lieber erst gar nicht. Die verstoßen wahrscheinlich inzwischen gegen sämtliche Gesetze zum Schutz vor Biowaffen…
Bis zum Abendbrot ist Chillen angesagt, denn wir finden, wir haben genug getan, erlebt und bewältigt. Zumindest für heute. Das Abendessen ist… Na, ihr wisst schon. Noch einen Absacker, und dann –Gute Nacht. Ich bin mir sicher, ich werde gut schlafen…
Erkenntnis des Tages: Kletterpfade machen Spaß!
Top des Tages: Das finale Bier mit Josef
Flop des Tages: Mein Körper will, glaube ich, nicht mehr so richtig.
Zurückgelegte Strecke: 6,6 Kilometer
Bewältigte Höhenmeter (aufwärts/abwärts): 310 Meter / 800 Meter