Der Montag beginnt mit einem Muskelkater, der sich gewaschen hat. Eben ein ehrlicher und wohlverdienter Halbmarathonuntereinsvierzig-Muskelkater.
Im normalen Prä-Marathon-Leben wäre jetzt eine schöne und vor allem erholsame Laufpause von, sagen wir mal, vier bis fünf Tagen angesagt.
Aber – das war mal!
Jetzt ist´s vorbei mit Entspannung. Sagt leider auch mein Trainingsplan, angeblich soll das ja einen Suuuper-Trainingseffekt haben, wenn man nach dem (Test-)Halbmarathon direkt weiter trainiert. Oder man kann sich das auch einfach schönreden.
Iss völlig Wurscht, mein freundlicher Schweinehund rät mir auf jeden Fall dringend vom Training ab, ebenso wie die feucht-herbstlichen klimatischen Außenbedingungen.
Bei an sich ja wunderbaren 16° und einem sanften aber nachhaltigen Regen laufe ich die gemütlichen 8 Kilometer natürlich trotzdem, man gönnt sich ja sonst schon nichts. Meine körperliche Verfassung ist zwar so lala, und das ist eher wohlwollend formuliert, doch darüber gilt es hinwegzusehen. Ganz besonders während des ersten Kilometers.
Der erste Kilometer ist eine offensichtliche Inkarnation der Vorhölle für Läufer, aber auch das gibt sich. Die restlichen sieben Kilometer fühlen sich trotzdem an wie siebzig und nehmen schier überhaupt kein Ende. Am Ende nehmen sie doch ein Ende. Und das ist auch gut so. Gemacht ist gemacht!
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Dienstag ist traditioneller Kraftsport-Tag, und mit guten Traditionen soll man nicht brechen. Dies tue ich auch nicht.
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Früher oder später kommt in der Marathon-Trainingsphase eines jeden Debütanten die Frage nach der richtigen Energieversorgung während des zweiundvierzigkommazweikilometer langen Laufspaßes auf.
Bei mir eher später, genaugenommen in der vergangenen Woche.
Gibt man bei der Suchmaschine seines Vertrauens die Begriffe „Ernährung“ und „Marathon“ ein ist tagelanger Lesespaß garantiert! Da muss man schon mal aufpassen, vor lauter Leseglück nicht das Lauftraining zu verpassen.
Die Bandbreite an Informationen ist ebenso lesenswert wie enorm, sie reicht von totaler Askese über die Klappstulle bis zum selbstgemixten Omasgeheimrezept-Cocktail mit Gewinngarantie.
Einig sind sich mindestens 99,5% der erfahrenen Marathonlauf-Nahrungszusichnehmer allerdings in einem Punkt: keine Ernährungs-Experimente im Wettkampf!
Bedeutet: lieber im Training gekotzt als im Marathon. Entschuldigt die derbe Ausdrucksweise, stimmt aber trotzdem.
Tja, was mache ich nun? Ein kleines Gel-Experiment habe ich ja schon, mehr oder weniger erfolgreich, absolviert, aber so richtig toll fand ich Geschmack und Wirkung jetzt nicht. Also darf etwas anderes her: ich entdecke Maltodextrin!
Das sind quasi pure Kohlenhydrate auf Stärkebasis, die allerdings eine „stabilere“ Energieversorgung als beispielsweise Weiß- oder Fruchtzucker gewährleisten, welche doch eher einen sehr kurzen Push bieten.
Eine ganz hervorragende Abhandlung rund um Maltodextrin, die Dosierung und die Wirkungsweise findet ihr in diesem PDF-Dokument von Natalie S., Triathlonistin und Diplom-Biologin mit Pharmazie-Hintergrund. Die Frau weiß gewiss, wovon sie schreibt! 🙂
Malto gibt es in verschiedenen Ausführungen, die sich in der Schnelle der Wirksamkeit und damit verbunden in der Dauer der Energiebereitstellung unterscheiden.
Den Unterschied macht der Glucose-Gehalt, der auch für die entsprechende „Nummer“ in der Bezeichnung zuständig ist. Ich entscheide mich für die 19-er Variante (die also 19% Glucose enthält), denn in einem Marathon spielt die schnelle Verfügbarkeit der Energie eine wichtige Rolle.
Das 19-er Malto hält dagegen nicht so lange den Energiepegel hoch (der „Fluch“ der schnellen Verfügbarkeit), aber dann tankt man eben häufiger nach.
Da ich die Energie-Zuführung erst ab Kilmeter 30 vorsehe wird das am heutigen Mittwoch von mir zu testende Mixgetränk für die „letzten“ 12 Kilometer (hoffentlich) den passenden Motivationsschub bereithalten.
Und so sieht das Rezept aus: 50 Gramm Malto auf 400 ml Wasser, angereichert mit 1 Gramm Kaiser-Natron + 100 ml purer Fruchttee (selbstgekocht, ungezuckert) für einen zarten Fruchthauch. Macht insgesamt einen halben Liter geballte Kohlenhydrate-Power, im isotonischen Verhältnis gemixt.
Wie immer bei ersten Malen ist es auch bei diesem ganz schön ungewohnt, während eines Tempodauerlaufes, der heute in der „üblichen“ 12-Kilometer-Version im Plan steht, irgendetwas in sich ´reinzukippen. Ich kontrolliere mich allerdings sehr diszipliniert, indem ich aller 2 Kilometer brav an der Flasche nuckel und mich so quasi „zwinge“, zu trinken.
Das ist nicht angenehm, und einmal verschlucke ich mich ganz heftig. Andererseits: lieber im Training… – siehe oben! 😉
Es bleibt alles drin, auch wenn sich mein Bauch ein wenig –klumpig anfühlt. Die süße Plörre ist zwar keine geschmackliche Offenbarung und überaus klebrig, trinkt sich im Prinzip aber ganz gut weg.
Ob die Energie mich jetzt wirklich beschleunigt hat vermag ich nicht zu beurteilen, Sinn des heutigen Flaschenexperiments war ja eher die Verträglichkeit. Scheint zu passen.
Dennoch werde ich die nächsten 12-Kilometer-Tempoläufe mit diesem Mix absolvieren, einfach um meinen Körper noch ein wenig auf Nahrungsaufnahme unter Belastung zu trainieren.
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Im Grunde freue ich mich auf den Freitag, wenn ich meinen langen Lauf absolvieren darf. Nach all dem temporeichen Herumgelaufe der letzten Tage erscheint mir ein schöner, langer, gemütlicher Lauf direkt verlockend. Die Vorfreude erhält einen merklichen Dämpfer, als ich den Kopf aus der Tür stecke: 28 Grad und strahlender Sonnenschein: der gottverdammte Sommer ist zurück! Oh nein, nicht schon wieder!
Aber: alles Jammern hilft nix, ich trete mit Mütze, Sonnenbrille und einem Liter Wasser mit Natron meinem Hitze-Trauma entgegen, gewillt, endlich den unseligen Sommerfluch zu brechen. Ich werde brechen, allerdings gänzlich anders als gedacht…
Eine wunderschöne Strecke habe ich mir herausgesucht, entlang des Berliner Mauerweges und durch Wälder. Das schützt ein wenig vor Sonne und bietet Natur pur. Herrlich.
Mein Handy habe ich sicherheitshalber mitgenommen, denn Manu, meine Frau, sagte vorher zu mir: „Ruf an, wenn´s nicht mehr gehen sollte. Ich hole dich dann mit dem Auto ab.“ Schön zu wissen, das man im Notfall Hilfe hat.
Die ersten 10 Kilometer gestalten sich wie die zweiten 10 Kilometer: ein schönes und gleichmäßiges Lauftempo trägt mich durch die Wälder Brandenburgs.
Kurz nach Kilometer 20 macht sich eine gewisse innere Trägheit bemerkbar, nix schlimmes. Bestimmt stecken mir Halbmarathon und nachfolgendes Training noch in den Knochen.
Dennoch lege ich bei Kilometer 24 meine erste Gehpause ein, mir ist sehr warm und das Wasser schmeckt irgendwie ekelhaft.
Nach der Gehpause läuft´s wieder für ungefähr 4 Kilometer, bei Kilometer 29 ist dann allerdings die Luft ´raus. Ich HASSE den Sommer!!!, könnte ich laut schreien, wenn ich noch könnte. Mir ist heiß, die Sonne nervt und ich kriege kein Wasser mehr ´runter. Mann, vor 3 Wochen gelang mir ein sensationeller 35-er, und heute gehe ich mit Pauken und Trompeten unter! Wie kann das sein???
Ab jetzt beginnt die Qual. Auf mehreren Ebenen gleichzeitig. Da wäre zuerst die Qual der Wahl: hole ich mein Handy heraus und bitte Manu, mich abzuholen? Kommt gar nicht in Frage, die letzten Kilometer bis nach Hause packe ich aus eigener Kraft. Hoffe ich zumindest.
Als nächstes stellt sich eine quälende Übelkeit ein.
Unangenehme Folge: ich krieg absolut kein Wasser mehr in mich ´rein. Ich habe zwar einen trockenen Mund und Durst, aber irgendwie weckt Wasser gerade noch mehr Übelkeitsgefühle.
Der mitgeführte Liter ist fast komplett getrunken, aber der Rest geht wirklich nicht mehr. Irgendjemand sagte mal, man solle alle 2,5 Kilometer ca. 0,1 Liter trinken. Das bedeutet, ich müsste bei 30 Kilometern ungefähr 1,2 Liter trinken. Das kriege ich auf keinen Fall hin!
Die letzten gut dreieinhalb Kilometer, die es dank einer kleinen Abkürzung bis zur rettenden Heimat noch sind, verbringe ich mal im (kurzen) Laufschritt und mal im zügigen Spaziergeh-Tempo. Es ist eine Quälerei, aber ich sage mir immer wieder: das ist auch mentales Training.
Ich bin völlig durch.
Zuhause angekommen dusche ich mit letzter Kraft, dann falle ich auf die Couch. Eine halbe Banane und ein kleines Glas Kakao sollten schnelle Hilfe bei der Energieversorgung bringen.
Das klappt leider nicht, denn eine knappe halbe Stunde später überfällt mich die Mutter aller Magenkrämpfe.
Ich schaffe es gerade noch rechtzeitig zum Klo, und dann bete ich sehr intensiv die Kloschüssel an. Das erstaunliche ist: eine Unmenge an Wasser bahnt sich den Weg nach draußen! Scheinbar hat mein Magen es nicht mehr geschafft, das während des Laufes getrunkene Wasser zu „verarbeiten“!
Bleibt mir tatsächlich nur zu hoffen, dass am Marathon-Tag angenehm kühle Temperaturen herrschen und ich nicht soviel zu trinken brauche.
Eine solche krasse Erfahrung habe ich jedenfalls noch nie gemacht. Ob es die Hitze war oder irgendein anderer Auslöser – ich habe keine Ahnung. Drei Stunden später bekomme ich (wenigstens) 5 Zwiebacke und 3 Gläser Fencheltee gegen die ärgste Dehydration und die Energieverluste hinunter, es bleibt auch alles dort. Ich bin jedenfalls total im A…
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Der Samstag beginnt mit vorsichtigen Ernährungstests, Müsli geht, Toast auch. Wunderbar. Allerdings fühle ich mich komlett wie ausgek…-brochen. Weiche Knie, dicker Kopf, einfach oll.
Schon der bloße Gedanke an Laufen bereitet mir tiefen Horror, und noch viel schlimmer: Wasser trinken geht erstmal gar nicht. Alleine der Anblick meiner Lauf-Trinkflasche löst tiefe körperliche Abneigung aus.
Das gibt sich im Laufe des Tages und nach ungefähr einem Liter Fencheltee etwas, das Schwächegefühl allerdings bleibt.
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Da fühlt sich der Sonntag schon verdammt viel besser an (was jetzt auch nicht schwer ist…), nur mein Körper, der schreit nach Kalorien. Kriegt er natürlich auch, schließlich möchte (darf, soll, muss) ich heute abend noch ein letztes Mal in dieser heftigen Woche die Laufschuhe schnüren um ein kleines 4 mal 2.000-Meter-Intervalltraining zu absolvieren.
Bei post-sommerlichen prä-gewittrigen schwülen 23 Grad (da lach´ ich ja nur drüber!) absolviere ich in den frühen Abendstunden bei einem geradezu phantastischen Sonnenuntergang die vielleicht besten Intervalle seit langem. Mein Kreislauf macht auch mit, dafür ein herzliches Dankeschön!
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Zur Wochenbilanz:
„Entweder man leidet im Training oder man leidet im Wettkampf“ hat mal irgendein vermutlich erfahrener Athlet behauptet.
Nun, wenn da was dran sein sollte, jogge ich am 28.September fröhlich pfeifend über die Ziellinie und frage, ob das jetzt alles war. So fühle ich mich jedenfalls am Ende dieser mit weitem Abstand forderndsten und unangenehmsten Trainingswoche aller Zeiten!
Allerdings sehe ich das mit dem nicht vorhandenen Wettkampf-Leid nach meiner Freitags-Erfahrung ein wenig skeptisch, aber ich habe ja noch 3 Wochen Zeit ordentlich zu vorzuleiden. Ich gebe mein Allerbestes, trotz eines gewissen nicht wegzudiskutierenden motivatorischen Tiefpunktes.
Aber – irgendwas ist immer.
Dennoch: zumindest mein Malto-Experiment darf als gelungen betrachtet werden. Und das ist doch auch schon mal was…
(Bildquelle „Elend“: Dieter Schütz / pixelio.de)