Aaaah, herrlich.
Sommerzeit, Faulenzerzeit. Gilt natürlich auch in Läuferkreisen, auch wenn dieses seltsame Völkchen darunter möglicherweise etwas anderes versteht als Ottonormal.
Befindet man sich zu diesem Zeitpunkt auch noch versehentlich im Marathon-Training so kann sich die Bedeutung des Begriffes „Faulenzen“ nochmals etwas anders darstellen.
Der korrekte Begriff für die geringere distanzielle Laufleistung heißt im Trainings-Jargon übrigens „Tapering„, was tatsächlich nichts anderes bedeuetet, als mal lauftechnisch ein wenig herunterzufahren um den armen geschundenen Körper nicht zu überfordern. In längeren Trainingsperioden und direkt vor dem geplanten Wettkampf gibt es diese Tapering-Phasen. Dafür packt man dann gerne mal eine Tempo-Schippe oben drauf, damit es auch ja nicht zu erholsam wird.
Faulenzen in meiner vierten Trainingswoche heißt: popelige 45 Wochenkilometer. Das ist ja fast nix, denkt sich der geneigte Marathoni, schaue ich allerdings in meine Laufhistorie stellt sich das tatsächlich etwas anders dar. In meiner mittelfristigen Läufervergangenheit gehörten 45-Kilometer-Wochen eher zur oberen Grenzregion der gelaufenen Wochendistanz!
Ein weiteres faszinierendes Beispiel dafür, wie sich bestimmte Limitierungen heimlich, still und leise davonschleichen und neue Erfahrungen als Standard etablieren.
Ganz besonders in dieser Woche soll diese Fähigkeit von Körper und Geist enorme Bedeutung erlangen, denn am Freitag steht mit dem nächsten Wettkampf-Test eine wahre Hitzeschlacht an.
Und schon sind wir mittendrin in der Trauma-Bewältigungs-Laufwoche!
——————————————————————————————————–
Am Montag startet mein erstes echtes Intervalltraining in der Marathon-Vorbereitung. Sieben mal 1 Kilometer bei einer Pace von 4:30 min/km, so lautet der Plan. Ein Vorteil bei diesem Wetter, und der Sommer ist aktuell mit vollem Einsatz am Start, ist die quasi nicht vorhandene Notwendigkeit zur Erwärmung, eher dient ein lockeres Einlaufen der Abkühlung.
Ein kleines Lauf-ABC zur allgemeinen Fuß- und Beinmuskelertüchtigung schlließt sich an und dann heißt´s: Gas geben! Bei aller grundsätzlichen Vorfreude auf die Intervalle (ja, ich mache wirklich gern Tempo-Training!): das sind zumindest heute echt fiese kleine Dinger, diese Tempo-Abschnitte. Ich meine, 1.000 Meter klingt ja nun wirklich nicht viel, aber: holla!, nach 4 Intervallen und dem Wissen, da kommen noch weitere 3, sieht das schon gaaanz anders aus.
Eine gewisse Härte kommt ins Spiel, und der Anspruch steigt erwartungsgemäß. Gegen Ende hin wird es tatsächlich unangenehm, denn ich bin wirklich ziemlich zügig unterwegs. Außerdem ist mir ziemlich warm, denn selbst abends um halb neun ist´s noch sommerlich auf den Straßen Falkensees.
Wie so oft in meinen Trainings-Tempo-Läufen bin ich etwas schneller als geplant (selber schuld!), und wie so oft erlebe ich im Mitteteil (hier bei Intervall Nummero 4) den tempomäßigen Höhepunkt. Jaaaa! 😉
Es ist ein gutes Training, es ist ein schnelles Training, dieseIntervall-Premiere im Marathon-Plan, allerdings fürchte ich mich ein kleines bißchen vor dem nächsten Mal: dann sind 10 mal 1 Kilometer fällig. Uiuiui!
Dienstag gehört wie immer der der Kräftigung der Rumpfstabilität, ungeliebt aber wichtig.
Da diese Woche zwar nicht so weite Strecken auf´m Plan stehen aber dafür das Lauftempo eine deutliche Anpassung Richtung „Tempo-Arbeit“ bekommt ist am Mittwoch bereits das nächste Schnelllauf-Training fällig: ein 8-Kilometer-Tempodauerlauf in der (fiktiven) Marathon-Rennpace. Fiktiv vor allem deshalb, weil ich ja nicht wirklich eine Zielzeit plane, aber aus meinem Trainingsplan sich diese Pace als „Ziel“ ergibt. Konkret bedeutet das: 4:58 min/km.
Die Witterungsbedingungen ähneln denen von Montag, also nix außergewöhnliches, mal sehen, was da so geht. Ist ja immerhin mein erster echter Tempodauerlauf im Trainingsplan, neben dem ja leider gescheiterten Test-Wettkampfexperiment vor 2 Wochen. Nach einem fluffigen Einlauf unter perfekten Bedingungen starte ich in den Tempolauf. Die Nike Free, welche ich ja gern mal als Fuß-Training bei schnellen kürzeren Läufen einsetze, sind genau die richtigen Schuhe, wenn´s mal schnell sein soll. Und — es ist zu schnell!
Eigentlich müsste ich langsamer laufen, aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund geht das heute leider nicht. Ist ja blöd. Bei Kilometer 5 liege ich schon unter einer 4:50-Pace, das geht nun wirklich nicht.
Ich zwinge mich etwas langsamer zu laufen, denn am Freitag bei meinem nächsten Testwettkampf (aargh!) kann ich ja so richtig zügig durchstarten!
Und dann passiert etwas Ungeplantes: mein Schnürsenkel am rechten Schuh löst sich pünktlich mit dem Beginn des letzten Kilometers, und das trotz Doppelknotens. Verrückt! Tja, stehenbleiben ist leider keine Option, bleibt also nur eins: aufpassen und laaange Schritte machen, um nicht auf den Schnürsenkel zu latschen.
Es funktioniert super, außer dass ich nun doch wieder deutlich zu schnell unterwegs bin. Aber ich kann ja nichts dafür, dass ich so große Schritte machen muss! Der blöde Schnürsenkel ist schuld!
Ein ganz feiner Lauf geht pünktlich nach 8 Kilometern zu Ende, ich hätte problemlos noch weiterlaufen können. Vielleicht hat mich der momentan ziemlich stressige Arbeitsalltag beflügelt oder ich hatte einfach einen richtig geilen Tag. Hoffentlich bleibt das so, denn am Freitag gilt es ein Trauma zu bewältigen…
Das Studio lasse ich am Donnerstag mal locker ausfallen, der Tolger vom Bauchexpress wird mich nicht vermissen und das Fahrrad schaffts auch mal ohne mich. Ich gehe ins Kino. Und da ich mich sehr schämen würde euch mitzuteilen, dass ich den unerträglich schlechten Transformers 4 meinem Training vorgezogen habe, verrate ich es euch lieber nicht. Ist wahrscheinlich besser so. Ihr würdet ja sonst nur lästern. Zu recht.
——————————————————————————————————–
Und dann ist er da. Der Freitag. Und der Sommer auch. Und wie. Mit über 30 Grad und strahlendem Sonnenschein. Denjenigen, der den Begriff „Sommerfrische“ geprägt hat, müsste man zwingen, bei diesem Wetter– sagen wir: einen 10-Kilometer-Wettkampf zu laufen. Obwohl, ich glaube das würde gegen die Genfer Konventionen verstoßen. Das wäre echt zu krass.
Was mache ich also heute? Ein fulminates Selbstexperiment! Nachdem ich ja vor 14 Tagen mit Pauken und Trompeten gescheitert bin ändere ich heute 2 Dinge:
1.) ich laufe erst spätnachmittags, Startzeit: 17:30 Uhr. Ist bestimmt nicht mehr so warm.
2.) ich nehme mir keine Zeit vor und möchte einfach mal sehen, wie weit ich so gehen kann. Das nimmt mir etwas den Druck. Vielleicht hilft´s ja.
Vor dem Lauf nehme ich, wie schon beim letzten Mal, ein (un-)leckeres Kohlenhydrate-Gel, irgendwas mit Bananen-Geschmack, ekelhaft. Aber irgendwie möchte ich die Einnahme dieser Gel´s trainieren, was bietet sich da mehr an, als ein Grenzgänger-Wettkampf.
Bereits beim Einlaufen merke ich: es ist sehr, sehr warm. 31 Grad zeigt das Thermometer, so kühl ist es aber nur im Schatten! Au weia.
Ich trage eine schöne Läufermütze gegen Hitze im Schädel und Schweiß in den Augen, eine Sonnenbrille schützt meine Pupillen, mehr Technologie (außer meinem Lauffreund, der Forerunner-Laufuhr) braucht es nicht. Es geht los.
Ein bißchen schwindelig ist mir nach dem ersten Kilometer, na, das kann ja was werden. Ich laufe gerade so schnell, dass ich nicht ins Hitzedelirium falle aber trotzdem das Gefühl habe, alles zu geben. Gut, das hätte ich auch, wenn ich langsamer laufen würde… Es ist fies und heiß und brutal und macht absolut überhaupt keinen Spaß. Und ich habe gerade mal 3 Kilometer geschafft. Ich könnte ja abbrechen, bei der Hitze völlig okay… Nix da, weiter!
Die Trauma-Grenze ist nach Kilometer 6 erreicht. Hui, was da so alles in meinem Kopf abgeht!
Werde ich langsamer?
Kann ich überhaupt noch weiter?
Warum mache ich das hier?
Ist ja auch total schädlich, wegen der Hitze und so.
Meine Beine sind schwer…
Aber es sind alles nur Kopf-Dinge, denn mein Körper signalisiert: alles okay, ich komme mit der Hitze klar, der Kopf ist doof.
Ich glaube ihm und mache weiter. Und wieder geht´s, erstaunlicherweise, zur Mitte hin irgendwie besser, erst bei Kilometer 7 verstärkt sich das „nu´ reicht´s aber langsam“-Gefühl deutlich. Ist völlig schnuppe, draufhalten.
Und ich absolviere Kilometer um Kilometer, das Tempo geht mal runter und mal höher, egal, hauptsache lebend ankommen. Der finale Kilometer ist eine ganz exquisite Tortur für Körper und Geist, sozusagen ein Kill-O-Meter.Da Aufgeben aber jetzt vollkommen sinnlos und vielleicht auch zwecklos wäre laufe ich das Ding zu Ende. Trauma bezwungen. JA!
Was soll ich sagen: mit 4:41 min/km eine ganz großartige Pace unter diesen Bedingungen! Und mit 47:01 Minuten eine neue (Trainings-)Bestzeit auf 10 Kilometer!!! (Beste bisher: 47:33)
Hätte ich niemals für möglich gehalten, nicht bei der Hitze. Total kaputt, extrem stolz und mit Flüssigkeitsverlusten von mindestens 10 Litern laufe ich einen letzten, ruhigen Auslauf-Kilometer, einen Bonus-Kilometer sozusagen, einzig für die allerbeste „Kilometer-Spiel“-Gemeinschaft der Welt! 🙂 Ich bin sehr, sehr glücklich.
Samstag ist Sportpause. Und das ist auch gut so.
——————————————————————————————————–
Werfen wir noch einen Blick auf den Sonntag. Ich sollte vielleicht in der Überschrift erwähnen, dass es heiß ist. Sehr heiß. 35 Grad erwarten den geneigten Outdoor-Athleten heute.
Ich kenn´ da ja nix, und wenn ich weiter so bei der Hitze laufen gehe bin ich bald bereit für den „Bad Water Ultra-Marathon“ (sehenswert und definitiv sehr beeindruckend!). Pfeif also auf die Hitze, raus in die Spätnachmittags-Sonne! Bei langsamen, gemütlichen 8 Kilometern lasse ich es mir gutgehen. Ich komme an Gärten vorbei. Darin sitzen Menschen mit freiem Oberkörper, die Füße im Planschbecken. Sie schauen mich neidisch an. Oder mitleidig. Ich kann das bei dem Schweiß in meinen Augen nicht richtig unterscheiden.
Der Lauf zieht sich heute etwas, ich bremse mich immer wieder. In Anbetracht der sonstigen Wochenleistung und, vor allem, der klimatischen Bedingungen ist das auch völlig in Ordnung. Etwas zum Durchatmen, sozusagen. Wer weiß schon, wie der Sommer sich so entwickelt, jetzt, wo die Hundstage da sind…
runalyze.de8,2 km DL GA1 am 20.07.2014
——————————————————————————————————–
Zeit für die Wochenbilanz!
Woche 4 war kurz und gut, könnte man sagen. Und so machen wir es auch:
„Nur“ 45 Kilometer, aber dafür ordentlich auf die Tempo-Tube gedrückt.
Und ein Trauma bewältigt, sogar mit erstaunlicher neuer Trainingsbestzeit. Ach ja, und nicht zu vergessen: der Hitze die Stirn geboten.
Ich wäre trotzdem einigermaßen froh, wenn es ein wenig unter 30 Grad werden würde. Aber: steckt man ja nicht drin! Also: weiter!!! 🙂
(Bildquelle „Hund“: Simone Peter / pixelio.de)