Das ist ja schon irgendwie lustig und eindrucksvoll, wie sich eine läuferische „Karriere“ so entwickelt: da bereite ich mit einem akribischen Trainingsplan einen Halbmarathon vor, welcher sozusagen das große und endgültige und einzige Ziel dieses Planes ist. Und jetzt?
Tja, jetzt laufe ich so ein Dingens im Rahmen eines Marathon-Trainingsplanes. Einfach so. Als Test. Oder zum Spaß, mal eben zwischendurch.
Ich sage ja nicht „als Erholung vom anstrengenden Training“. Ganz bestimmt nicht, denn dieser Mal-Eben-So-Halbmarathon dient tatsächlich einem trainerischen Zweck, nämlich einen Blick auf meine aktuelle Leistungsfähigkeit zu werfen.
Und das wird vermutlich keine Erholung. Wenn doch, dann habe ich was falsch gemacht…
—————————————————————————
Doch bevor wir Blicke werfen laufen wir gemeinsam schnell noch die 2 geplanten Einheiten für diese Woche.
Richtig gelesen, nach meinem Totalausfall in der letzten Woche ist alles soweit wieder schnieke, größtenteils.
Nach geradezu legendären Kopfschmerzen am Sonntagabend letzter Woche treffe ich eine Vereinbarung mit mir selber: Am Montag gehe ich nur dann laufen, wenn ich absolut und überhaupt keine Kopfschmerzen mehr habe.
Nun, mein Kopf will offensichtlich laufen, ich erwache am Montag schon entkopfschmerzt und bin glücklich. Beides bleibt so bis abends, also darf ich wieder. Sehr schön.
10 Kilometer im GA2(locker-zügig)-Tempo fordert der Plan, ich beschließe eine sanfte Entwöhnung von der Erholungswoche und verkürze die Strecke auf gute achtkommafünf Kilometer.
Der Anfang des Laufes fühlt sich wie die ultimative Quälerei an.
Mein Gott, ich bin doch nur 6 Tage nicht gelaufen! Krass!
Okay, wenn man von „Marathontraining“ auf „0“ reduziert und dann wieder auf „Marathontraining“ schaltet darf man sich auch mal so fühlen.
Nach gut 2 Kilometern gibt sich das und ein relativ angenehmer Flow stellt sich ein. Alles in allem (erwartungsgemäß) nicht mein bester aber dennoch (auch erwartungsgemäß) ohne merkliche Konditionsverluste überstandener Lauf.
runalyze.de8,6 km DL GA2 am 25.08.2014
—————————————————————————
Kraft am Dienstag lasse ich entfallen, lieber einmal Studio weniger als Laufpause. Mittwoch wird´s etwas ernster, aber wenn ich am Sonntag einen Halbmarathon laufen möchte sollte heute ein 12-Kilometer-Tempolauf im (wahnsinnig theoretischen) Marathon-Renntempo drin sein.
Ist auch drin, und mit geradezu unglaublicher 4:49-min/km-Pace läuft es sich super! Und dabei hätte ich bloß 4:58 gebraucht. Auch danach geht es mir gut, es ist also alles bereitet für einen schönen Halbmarathon am Sonntag!
—————————————————————————
Am Samstag schummele ich eine „Bonuseinheit“ in mein Training ein, die mein Trainingsplan nicht vorsieht. Aber 3 Tage Pause wären mir jetzt doch zu unheimlich.
Zum Warmmachen für den Halben laufe ich 4 Kilometer in locker-zügigem GA2-Tempo, gekrönt von 5x 100 Metern im Sprinttempo. Mercedes-Benz-Halbmarathon – ich komme!
—————————————————————————
Sonntagmorgen um Sechsuhrfünfzig klingelt der Wecker. Hätte ich früh aufstehen wollen wäre ich Bäcker geworden, geht mir durch den Kopf. Oder Läufer, der am Sonntag unbedingt einen Halbmarathon laufen will.
Also: aufstehen!
2 weiße Toastscheiben mit Honig und einer leckeren braunen Schoko-Creme 😉 bilden die Grundlage, die sich bereits einige Male bewährt hat.
Was sagen die klimatischen Bedingungen?
16° C bei 92% Luftfeuchtigkeit. Das ist mal ordentlich schwül! Da aber keine Sonne scheint (und auch nicht scheinen wird) ist das absolut erträglich, denke ich so bei mir.
Pünktlich am Startpunkt angekommen ist das finale Vor-Start-Abenteuer, der Toilettengang, wie immer ein waschechter Zeit-Thriller.
Um 8:59 stehe ich dennoch zufrieden und befreit im Startbereich, und schon geht´s los!
Keine Zeit zum Überlegen, jetzt wird Stoff gegeben.
Meine Zielzeit, die im Hubert-Beck-Plan für diesen (Test-)Halbmarathon definiert wurde, liegt bei 1:39:58, also knapp unter der einsvierziger Marke. Na, ob das was wird…
Die ersten 3 Kilometer fühlen sich ein bißchen träge an, aber zumindest bin ich nicht zu schnell gestartet. Dennoch habe ich ein leichtes Lahmheitsgefühl.
Bei Kilometer 5 kommt eine zarte Übelkeit ans Tageslicht, nix schlimmes, das kenne ich schon. Kommt sonst nur später. Gleichzeitig fordert die Schwüle ihren schweißtreibenden Tribut, es ist zwar nicht unbedingt heiß aber ich schwitze trotzdem recht heftig!
Vielleicht kommt die Übelkeit auch von diesem leichten Überhitzungsgefühl, wer weiß.
Ein paar Schlucke Wasser an der Kilometer-5-Tankstelle beheben das Problem jedenfalls bald wieder, nur der Tempo-Einbruch schlägt ein wenig zu Buche.
Zum Glück plane ich ja eine schnellere zweite Hälfte, da hole ich das dann lockerst wieder raus! 😉
Die erste von insgesamt fünf wirklichen Gemeinheiten befindet sich zwischen Kilometer 5 und 6, eine ultrafiese Fußgänger-Autobahn-Brücke, welche sich schneckenförmig nach oben windet.
Was für eine Steigung!
Ich bin noch nicht wieder ganz bei mir, und dann sowas!
Naja, was hoch geht muss auch wieder runter, da hole ich schwer keuchend ein paar Zeitschnipsel wieder ´raus.
Ab da läuft es deutlich lockerer, die Kilometer-Zeiten liegen schon fast im Tempo-Zielbereich, alles schön.
Die zweite Gemeinheit wartet bei Kilometer 10. Zuvor allerdings auch eine tolle kleine Freude: meine Frau jubelt mir zu! Das kann sie auch, denn besagter Kilometer markiert, und das ist die zweite Gemeinheit, den Beginn der zweiten Runde direkt am Start- und Zielpunkt!
In solchen Wettkämpfen hasse ich diese Gewissheit, das gleiche nochmal laufen zu müssen. Psychologisch habe ich gerade die Ziellinie überschritten, aber nicht „in echt“! Was allerdings noch viel schlimmer ist, und direkt die dritte Gemeinheit: ich muss nochmal über diese besch*#?&%$§ Autobahnbrücke!!!
Wieso habe ich mir eigentlich die höhere Geschwindigkeit für die zweite Hälfte aufgehoben? Das frage ich mich ganz ernsthaft bei Kilometer 17.
Noch ernsthafter frage ich mich das bei der vierten und vorletzten Gemeinheit: wir Halbmarathonis müssen, da es ja „nur“ eine 10-Kilometer-Runde ist, noch einen Bonus-Kilometer herauslaufen, allerdings kommt dieser leider erst bei Kilometer 18 (zum Teufel, welcher Sadist plant so etwas am Ende des Laufes ein???). Da man ja nun das Ende der Runde aus dem ersten Durchlauf kennt, ist dies echt eine mentale Herausforderung.
Als wär´s noch nicht genug lauert hier sogar noch die fünfte, finale Gemeinheit auf diesem „Umweg“: er beinhaltet nochmals eine sanfte aber ungemein beinemordende Steigung auf knapp 500 Meter Länge. Das ist weder schön noch motivierend, aber irgendwie schaffe ich auch das.
Was ich persönlich als sehr angenehm empfinde: inzwischen sind die 92% Luftfeuchtigkeit zu 100% geworden – es fängt ordentlich an zu regnen.
Dies ist eine echte Erfrischung und gibt mir einen kühlen Final-Kick!
Auf den letzten 2 Kilometern zieht mich dann ein freundlicher Mitläufer, den ich gut 1 Kilometer vorher als meinen „Pacemaker“ auserkoren hatte, noch mal ein Stück an und mit, der finale Tempo-Impuls kommt durch meine mir zurufende Frau am Wegesrand.
Sie gibt mir mit dieser Motivation die entscheidenden 12 Sekunden für die magische 1:40-er Marke: ich überschreite – nein: ich überfliege die Ziellinie mit gänzlich unglaublichen und schon gar nicht mehr wirklich vermuteten 1:39:48 !!!
Hallelujah, was für ein Ergebnis.
Der Hubert wäre stolz auf mich, sogar 10 Sekunden schneller als sein Plan!
Und was ja mal wirklich geil ist: bisher bin ich immer ganz knapp an den „runden“ Hürden gescheitert: im Halbmarathon letzten Oktober an der 1:50 und dieses Frühjahr im Halbmarathon an der 1:45.
Aber diesmal ist der Bann gebrochen, knapp unter der 1:40.
Ich bin sehr, sehr glücklich und ziemlich stolz, das Ding so hingekriegt zu haben. Mal ganz abgesehen von der erneuten persönlichen Bestzeit…
—————————————————————————
Zeit für die Wochenbilanz: Tja, was soll ich noch schreiben. Nach „verlorener“ Woche ein fulminantes Comeback meiner Physis.
Danke, Körper.
Ich fühle mich schon viel bereiter für den Marathon.
Ein bißchen „über“ dem Plan trainiert, trotzdem die Woche moderat angegangen – und was für eine Belohnung für all die bisherigen Trainingsmomente!
So, nun sind es nur noch 4 Wochen bis zum Tag M und ich bin doch tatsächlich schon ein wenig aufgeregt… 🙂
Tolle Entwicklung Marathom 😉
Vielen Dank, lieber Thomas! 🙂 Das Ergebnis sehen wir am 28.September…